Die Top 5 der Sustainable Networking Typen in Berlin.

2017 war geprägt von einem Trend. 2018 setzt er sich fort. Die Rede ist von Sustainable Networking Events. Als Nora The Explorer besuche ich nachhaltige Veranstaltungen und berichte darüber. Dabei begegnen mir auch so manche Menschen. Folgender Text ist diesen Menschen gewidmet.

Manchmal hat es etwas von einem Autounfall – man weiß, man sollte nicht hinsehen, aber man kann seine Augen einfach nicht davon abwenden. Networking Events in Berlin. Ach Berlin, du räudiges Moloch. Du soziales Auffangbecken für gestrandete Hipster, High-Performer und gelangweilte Projektler, die mit der Inneneinrichtung von Cafè-Bars verschmolzen sind. Du Potpourri aus Over-Achievement, Prätentiösität und Ironie. Uns verbindet eine Hass-Liebe. Wenn sich das Who-is-who der Sustainable Meetup Szene in Berlin versammelt, wird es nie langweilig. In den vergangenen Monaten habe ich 27 Veranstaltungen besucht. Die Themenbereiche waren: Grüne Messen, Nachhaltigkeit, Klimawandel, Marketing, Postwachstum, Fair Fashion, Filmfestivals und eben auch Business Meetups und diverse Networking Events. Man möchte ja nicht pauschalisieren und man sollte Menschen ja nicht in Schubladen packen. Aber ich tue es nun trotzdem. Einfach mal alle Vorsätze und Prinzipien über den Haufen werfen. Why not. Wer sich persönlich angegriffen fühlt – bitte Beschwerde an hatemail@sinnema.com mit dem Betreff: “Ironiefreie Intimzone” schicken. So, hier kommt nun meine persönliche Top 5 der Sustainable Networking Typen in Berlin:

1. Die Öko-Hipster

Da wird mit allen Körperteilen ein Kunstwerk gefertigt, Fotos von bröckelnden Häuserfassaden geschossen, in der Wüste gemeinsam musiziert und der Rauschebart mit Stolz getragen. Die Rede ist natürlich vom gemeinen Hipster alias homo individualis. Erkennungsmerkmale: urbane Secondhand-Kleidung, eng anliegende Jeans, komplizierte, maximal unbequem aussehende Schuhe und spezielle Hornbrillen. Das unordentliche Haar zeugt von müheloser Coolness. Die unabhängigen Denker und konter-kulturellen Teufel tragen den prächtigen Bart mit beiläufigem Stolz und Ironie. Sie vereinen eine kultige Kaffee-Religion mit progressiver Politik und feiern sich selbst für ihre Wertschätzung für Nischen-Kunst, Indie-Rock und witzige Neckereien wie kein Zweiter. “Wir meiden Mainstream-Werbung und Medien!”, aber Apple ist ein Muss. Ach Hipster, du bist der Pionier der Trendigkeit. Du bist das Maß aller Dinge – fröhne dem eigenen Lifestyle ruhig weiter, denn wenn wir dich modisch eingeholt haben, bist du schon längst weitergezogen. Ich bin gespannt, welches Jahrzehnt du als nächstes wieder entdeckst.  Wie wäre es mal mit 1290? Kettenhemd und Keuschheitsgürtel schreien doch nach einem modischen Revival.

Sie schreiben auf einer Schreibmaschine, denn ein analoger Lifestyle ist viel authentischer und down-to-earth. Ja, was schreiben sie denn da auf der Schreibmaschine? Ach ja, einen Code für eine App – oh, welch Ironie! Das Einzige was ich diesen Menschen wirklich beibringen möchte, ist die wahre Bedeutung von Ironie. Und witzige Hüte sind keine Ironie. Sie sind einfach witzig.

2. Die Jesushaften

Sie wollen die Welt retten und stürzen sich mit ihrem endlosen Optimismus in jede Diskussion. Sie leben eine extreme Form von Nachhaltigkeit und scharen eine ominöse Gruppe von Menschen um sich – ich nenne sie gerne die “grünen Jünger”. Ihre Bibel sind Magazine wie “Forum Nachhaltiges Wirtschaften”, “Utopia” und “Enorm”. Vielleicht braucht es diese fanatischen Weltverbesserer mit einem Hang zur Selbstkasteiung ja. Dort wird radikaler Veganismus gelebt, kein Plastik, keine Parabene, keine Pestizide, 100% Fair Trade, organic und Bio – extreme Sustainability quasi. Die Jesushaften betrachten sich selbst als der von Gott zur Erlösung aller Menschen gesandte Messias und Sohn Gottes. Mission: die Gesellschaft vor dem Kapitalismus zu retten. Ihr Handeln ist von Selbstaufopferung und Nächstenliebe geprägt. “Können wir nicht alle afrikanischen Waisenkinder adoptieren und ein kleines Senfkorn Hoffnung pflanzen?” Denn wie heißt es nicht bereits im Johannes Evangelium, Kapitel 10, Vers 9: „Ich bin die Tür; wenn jemand durch mich hineingeht, wird er selig werden und wird ein- und ausgehen und Weide finden.“

Amen.

3. Die Socializer

Es ist eine zeitweise anstrengende Mischung aus ADHS und maximaler Extrovertiertheit. Diese Leute sind echte Menschenfänger und sorgen für die Lacher in der Gruppe. Sei es um ihr Helfersyndrom auszuleben oder der ständig andauernde Mitteilungsdrang – die Socializer sind Magneten und wissen, wie man Konversation macht. Echte Networking-Pros eben. Ein gutes Gespür für Gruppendynamik und zwischenmenschliche Nuancen machen noch keinen guten Socializer aus. Erst das Talent, an den passenden Stellen gekonnt sarkastische Bemerkungen und ironische Einwürfe zu streuen, rundet das Socializer-Gesamtpaket ab. Denn Humor verbindet. Das wussten auch schon die Macher von Sims, die Humorpunkte für’s Sozialkonto an die Spieler vergeben, wenn man andere zum Lachen bringt. Die Socializer vermitteln einem das Gefühl, dass man sich schon jahrelang kennt. Man fragt sich, woher sie all die Empathie und Sympathie für ihre Mitmenschen nehmen – ist das am Ende gar alles nur Show? Kaum denkbar in einer Branche, die Menschen dafür bezahlt, nett und freundlich zu anderen Menschen zu sein. Ironie Ende.

Gängiges Jobprofil: Social-Media-Dies-Das. “Für meine Kunden entwickle ich Strategien und Kampagnen zur Selbstdarstellung über Facebook, Twitter, YouTube und Co. Außerdem leite ich Seminare und halte Vorträge zu Themen wie Imagepflege im Internet oder Social-Media-Evaluation.” Man trifft sich auf Events wie Kongresse, Barcamps, Tweetups, um sich dort mit den richtigen Leuten zu vernetzen.

4. Die High-Performance-Business-Meetup-Organizer

Diese faszinierende Gruppe von Menschen sind vermutlich meine Lieblings-Typen. Sie sind absolute Einzelkämpfer und leben zwischen Co-Working-Spaces und gleichnamigen Cafès. Das komplette Leben wird auf Facebook dokumentiert, denn das gehört sich so, wenn man erfolgreich Business machen will. “Psst, I didn’t tell you, but…”I’m homeless. That’s because I’m always living and working in castles and coworking spaces. I just can’t afford a normal office. But don’t tell anyone!” – natürlich immer auf Englisch, damit die zwei amerikanischen Freunde auf Facebook auch alles verstehen. Inklusion statt Exklusion. Das Konzept geht auf. Bei Networking Events treten sie als notorische Besserwisser auf und wirken etwas digital behindert. Ihre Timeline ist voll mit tiefgründigen Weisheiten aus aller Welt und Power-Monday-Memes a là Barney Stinson. Als wären die sozialen Medien ein Badezimmerspiegel, in dem man sich mit dem morgendlichen Mantra Mut und Selbstbewusstsein zuspricht. Echtes Beispiel:  “A river cuts through a rock not because of its power but its persistance” Aha, ok danke. Ich hätte da auch noch ‘ne fränkische Weisheit am Start: Wenn’s Arscherl brummt, ist’s Herzerl g’sund. Merkmale sind: In-Ear-Kopfhörer immer am Start, 24/7 online, um keine Gelegenheit zum Netzwerken auszulassen – es könnte ja eine wichtige Beziehung dabei sein. “Und was machst du so?” “Ich organisiere monatliche Business-Meetups, in denen wir uns gegenseitig Honig ums Maul schmieren und damit eine Plattform schaffen, uns richtig geil und wichtig zu fühlen. Dann sharen wir unsere amazing Insights von Tech-Konferenzen und sammeln unsere Expertise mit gratis Google Kursen und Webinars.” And never forget: “Don’t ask what the world needs. Ask what makes you come alive, and go do it. Because what the world needs is people who have come alive.” —Howard Thurman

(Please insert random stock photo of sunset, mountains or forest here).

5. Die Spirituellen

Hier wird das Weltrettungsmotiv durch Liebe, Licht und Erleuchtung gefüllt. Wir meditieren den Klimawandel einfach weg und channeln alle negativen Vibes aus dem Universum. Alternativ kann man den Kongo auch durch Massenmeditation von ätherischen Energien befreien. Zugegeben, die Ruhe und Gelassenheit der selbsternannten Gurus ist beneidenswert, wenngleich auch etwas beunruhigend. Sie haben die absolute Wahrheit und Antworten auf alle Fragen des Lebens. Der Kopf darf nicht benutzt werden, denn Denken ist negativ – bitte nur mit dem Herzen handeln. Ob Erzengel Michael, Master Kuthumi oder Batman – jeder hat eine höhere Verbindung in der 5. Dimension. Die Tarot-Fraktion hat den Bezug zur Realität scheinbar etwas verloren und begegnet Kritikern mit einem seligen Grinsen. Am Meisten habe ich mich über die Einladung zu einem Chakra-Tuning-Workshop gefreut – meine Vorfreude war aber schnell verflogen, als ich erfuhr, dass es sich dabei nicht um ein Treffen zum gemeinsamen Musizieren und Singen handelt.

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